Zerbrochen: berühmter deutscher Glas-Hersteller pleite

Erneut trifft die wirtschaftliche Situation ein traditionelles Unternehmen. Seit 120 Jahren fertigt der Glas-Hersteller besondere Trinkgläser und gilt als ein Marktführer in Europa, doch jetzt scheint er pleite zu sein.

27.01.2024, 10:50 Uhr
Zerbrochen: berühmter deutscher Glas-Hersteller pleite
Symbolbild © istockphoto/JackF
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Traditionsreicher Glas-Hersteller pleite Man spricht von einer bevorstehenden Neuausrichtung, durch eine Insolvenz in Eigenverwaltung. Dass der traditionelle Glas-Hersteller pleite ist, dürfte auch Nicht-Glasfans schockieren. Ritzenhoff gilt als eines der bekanntesten deutschen Unternehmen, die im europäischen Raum den Markt ihrer Branche dominieren. Eine 120-jährige Geschichte in Trümmern: Ritzenhoff, der renommierte Glas-Hersteller aus dem Sauerland, sieht sich gezwungen, Insolvenz in Eigenverwaltung anzumelden. Die Nachricht erschüttert die Branche, denn Ritzenhoff ist einer der bedeutendsten Trinkglas-Hersteller Europas und Marktführer im Bereich Stielgläser. Insolvenzantrag und vorläufiger Sachwalter Am vergangenen Donnerstag reichte Ritzenhoff den Insolvenzantrag in Eigenverwaltung ein. Das zuständige Amtsgericht Arnsberg bestellte Dr. Alexander Höpfner als vorläufigen Sachwalter. Die Entscheidung wurde unter dem Aktenzeichen 21 IN 8/24 veröffentlicht. Ritzenhoff erlangte seinen Ruf vor allem durch kunstvoll bedruckte Gläser und Tassen, für die hunderte Designer und Grafiker im Laufe der Jahrzehnte kreative Motive lieferten. Die Gründe für den Zusammenbruch des traditionsreichen Unternehmens sind vielfältig. Insbesondere die Corona-Krise und die damit verbundenen Nachwirkungen haben ihre Spuren beim Glas-Hersteller hinterlassen und mit zur Pleite geführt. Der rasant gestiegene Energiebedarf für die Glasproduktion, bei Temperaturen von etwa 1400 Grad, erwies sich als kostspielig, insbesondere bei einer Produktion von bis zu 65 Tonnen oder 165.000 Gläsern pro Tag. Zusätzlich machten der sinkende Bierkonsum und die geringere Nachfrage nach Pilstulpen und Weizenbiergläsern dem Unternehmen zu schaffen. Die Herausforderungen im Rückblick auf Oktober 2022 Bereits im Oktober 2022 stand Ritzenhoff vor Herausforderungen durch die steigenden Energiekosten. Damals wurden erste Anstrengungen unternommen, die sich jedoch als nicht ausreichend erwiesen. Die offizielle Mitteilung des Unternehmens betont die Notwendigkeit einer umfassenden Restrukturierung für eine langfristige Sanierung. Die Ritzenhoff AG, als energieintensives Unternehmen, war besonders von den gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten sowie den Nachwirkungen der Covid-Pandemie betroffen. Dies beeinflusste nicht nur das Geschäftsumfeld und die Lieferketten, sondern führte auch zu Veränderungen im Kunden- und Kaufverhalten, vor allem im Brauereisektor. Insolvenzverfahren ohne Produktionsauswirkungen Trotz der Insolvenz in Eigenverwaltung versichert das Unternehmen, dass dies vorerst keine Auswirkungen auf Produktion, Vertrieb und Logistik haben werde. Das Insolvenzverfahren sei vielmehr als Schritt zur "Neuausrichtung" des Unternehmens gedacht. Die rund 400-köpfige Belegschaft soll in einer Betriebsversammlung über die geplante Neuausrichtung und mögliche Konsequenzen informiert werden. Ein Hoffnungsschimmer für Ritzenhoff ist die Beteiligung des Fleisch-Moguls Robert Tönnies, einem Neffen des ehemaligen Schalke-Bosses Clemens Tönnies. Robert Tönnies hält bereits seit Herbst eine Minderheitsbeteiligung an der Aktiengesellschaft. Die Löhne und Gehälter der Beschäftigten sind durch das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit für die nächsten drei Monate gesichert. Ritzenhoff-Geschäftsführer Carsten Schumacher gibt sich optimistisch und sieht den Insolvenzprozess als Chance zur Stärkung der Unternehmensstruktur, um weiterhin höchste Qualität "Made in Germany" zu gewährleisten.