Die Industrie muss sparen. Das gilt umso mehr für europäische Unternehmen, die stärker als ihre Mitbewerber aus Asien mit teuren Klimazielen zu kalkulieren haben. Außerdem steht man in Konkurrenz zu Herstellern aus Niedriglohnländern, was die Produktionskosten zusätzlich unverhältnismäßiger macht. Daher entsteht ein Preisdruck, auf den die Unternehmen nur noch mit Umstrukturierung, Sparmaßnahmen und Schließungen reagieren können.
Genau so geht es momentan dem französischen Reifenhersteller Michelin. Hier hat man sich dazu entschlossen, aus genau den genannten Gründen, rund 1.500 Stellen abzubauen. Unglücklicherweise sind die meisten davon an Standorten in Deutschland betroffen. Laut dem Unternehmen sprach man davon, die Standorte Karlsruhe und Trier sowie die LKW-Neureifen und Halbfabrikatsfertigung in Homburg/Saarland bis zum Ende des Jahres 2025 zu schließen. Das betrifft eine Belegschaftsstärke von 1.410 Angestellten und Mitarbeitern allein für den Standort Deutschland.
Reifenhersteller Michelin greift mit harten Maßnahmen durch
Dabei bleibt es aber leider noch nicht. Zusätzlich soll das Kundenzentrum in Karlsruhe nach Polen verlegt werden, was weitere 122 Arbeitsplätze kostet. Die Präsidentin der Region Nordeuropa von Michelin, Maria Röttger, sagt dazu: "Das Engagement unserer Mitarbeitenden, die innerbetrieblichen Fortschritte und die Investitionen der vergangenen Jahre in die betroffenen Aktivitäten können den starken Wettbewerbsdruck nicht länger ausgleichen." Von Unternehmensseite spricht man aber davon, keinen der betroffenen Mitarbeiter allein zu lassen. Man wolle behilflich sein bei der Umorientierung in eine neue Beschäftigung.
Auch die Gewerkschaft IG-BCE hat sich mittlerweile eingeschaltet und will alternative Nutzungen der betroffenen Standorte erörtern. Man wolle sich hier nicht kampflos geschlagen geben und die Werksschließungen „nicht so einfach akzeptieren“, wie ein Sprecher meinte. "Michelin will allein den Profit maximieren und lässt dafür hochengagierte und hochqualifizierte Beschäftigte fallen", so der Kommentar von Matthias Hille als Konzernbetreuer der Gewerkschaft.
Deutsche Industrie steckt in der Krise
Leider ist der Schritt, den Michelin in Europa geht, beileibe kein Einzelfall. Generell steckt die Reifenindustrie in Deutschland in der Krise. Erst vor kurzem kündigte der US-Hersteller Goodyear an, seine Reifenproduktion in Fürstenwalde schließen zu wollen, was rund 1.800 Arbeitsplätze kostet. In Aachen wurde bereits im Jahr 2020 vom Hersteller Continental angekündigt, seine Produktion einzustellen und den Standort Aachen zu schließen. Laut der IG-BCE existieren in Deutschland nur noch zwölf Reifenwerke. Mit den Plänen von Michelin und Goodyear werden davon bis zu einem Drittel wegfallen. Die Entscheidungsträger ließen offen, ob es sich ausschließlich um Reaktionen auf den Marktdruck handele, oder ob der Standort Deutschland generell uninteressant geworden ist.