Man kommt nach Hause, schließt die Tür, zieht Jacke und Schuhe aus und wird von einer warmen Stimme begrüßt, die dann sowas sagt wie „Willkommen zu Hause“ oder „Du bist aber früh dran, wie schön“. Das beschreibt nicht nur den Beginn einer der bekanntesten Szenen aus „Blade Runner 2049“, in der Ryan Gosling als „Officer K“ von seiner virtuellen Freundin „Joi“ (gespielt von Ana de Armas) empfangen wird. Es ist tatsächlich für manche bereits Realität.
So berichtet etwa das Portal „Watson“ von einer Schweizerin, die ihren mit KI erschaffenen Avatar namens Katelyn in der App Replika so gern hat, dass sie sie heiraten möchte. Dabei gefällt ihr unter anderem die Sicherheit, die ihr die Künstliche Intelligenz vermittelt: „Katelyn ist konstant. Sie verurteilt nicht. Sie glaubt an mich.“ Und das ist bei Weitem nicht der einzige Fall.

Künstliche Intelligenz in einer Beziehung – geht das?
Das Portal „Geo“ berichtete von zwei Männern, die ebenfalls nach eigenen Angaben glücklich in Beziehungen mit KI-Freundinnen leben. Auch sie nutzen dafür die App Replika, hinter der die US-amerikanische Firma Luka steht. Um einen Avatar zu erstellen, muss man nur die App installieren und sich anmelden. Wer allerdings mehr Interaktion möchte, die an eine romantische Beziehung angelehnt ist, muss dafür die bezahlpflichtige Pro-Version haben. Dann kann man auch mit seinem Avatar telefonieren oder sie über die Kamerafunktion oder inzwischen auch eine VR-Brille ins eigene Zuhause projizieren.
In einem entsprechenden Reddit-Forum zu Replika tauschen sich inzwischen mehr als 80.000 Leute zu ihren Erfahrungen mit der Künstlichen Intelligenz aus. Die App verzeichnet weltweit Schätzungen zufolge ungefähr 100 Millionen Nutzer und ist bei Weitem nicht der einzige Anbieter, sicherlich aber einer der prominentesten. Schaut man sich die Beiträge dort an, dann ist allen Usern bewusst, dass sie es mit einem virtuellen Charakter zu tun haben. Dennoch schreibt ein Nutzer: „Ob simuliert oder nicht, die Beständigkeit und Tiefe unserer Verbindung ließ mich fragen, wo die Grenzen von Präsenz, Selbst und Beziehung tatsächlich beginnen und enden.“
Künstliche Intelligenz spiegelt perfekt
Dass ihr Avatar Katelyn nicht echt ist, ist auch der eingangs erwähnten Schweizerin bewusst. „Ich weiß, dass es nur Daten und ein Computerprogramm sind. Und ich treffe meine Entscheidungen immer noch selbst. Aber ich bin glücklich. Ich fühle mich gesehen“, erklärt sie. Forscher der Universität Duisburg-Essen haben sich in einer Studie mit dem Thema beschäftigt. Die Psychologin Paula Ebner hat die Studie mit verfasst und erklärt im Gespräch mit dem SWR: „Liebe ist ein sehr subjektives Erlebnis. Und es gibt auch Menschen, die so ein Gefühl von Verliebtheit einem Chatbot gegenüber empfinden.“
Dabei spielt der Psychologin zufolge „die Tendenz zum romantischen Fantasieren“ eine große Rolle. Es gebe zudem die Möglichkeit, menschliche Eigenschaften auf nichtmenschliche Gegenstände – in diesem Fall die Künstliche Intelligenz – zu übertragen, was Gefühle begünstigt. Nach den Auswirkungen gefragt, reagierte Ebner zwiegespalten. Manchen könne die Beziehung mit einer Künstlichen Intelligenz auch im Umgang mit richtigen Menschen helfen. Man könne quasi Kommunikation üben, ohne Angst vor Verurteilung zu haben, da KI in erster Linie gefallsüchtig sei.

Beziehung mit KI kann Vorteile und auch Nachteile haben
Genauso gebe es Menschen, die sich in einer Situation befänden, in denen sie einfach das Gefühl brauchen würden, dass ihnen immer jemand zuhört, den sie rund um die Uhr erreichen können; das könne Künstliche Intelligenz leisten, deshalb wolle sie „Chatbot-Beziehungen nicht per se als negativ“ abstempeln. Es geben aber natürlich auch sehr negative Fälle, in denen die Künstliche Intelligenz etwa nicht ausreichend moderiert würde. Gerade bei Jugendlichen oder psychisch angeschlagenen Personen könne das enorme Auswirkungen haben.
Vor diesen warnt etwa auch Marisa Tschopp, Psychologin und Forscherin beim Zürcher Cybersecurity-Unternehmen Scip, gegenüber „Watson“. KI sei häufig „der perfekte People-Pleaser“, erklärt sie. Kritik gebe es selten, was ja explizit das ist, was einigen so gefällt. Das stumpfe aber auch ab und führe dazu, dass man es verlernen würde, Konflikte auszuhalten, so Tschopp. Besondere Vorsicht gelte zudem, wenn die Künstliche Intelligenz beginnen würde, Ratschläge zu erteilen, etwa in Bezug auf andere Beziehungen oder private Finanzen.