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Zeigarnik Effekt: Was ist das überhaupt?
Der Zeigarnik Effekt geht auf die russische Psychologin Bljuma Wulfowna Zeigarnik zurück. Der Erzählung nach beobachtete sie in einem Café einen Kellner, der sie nachhaltig beeindruckte. Der Grund dafür: Er konnte sich unglaublich viele Bestellungen merken, ohne sich die einzelnen Posten inklusive der Personen oder Tische, die bestellten, aufzuschreiben. Sie unterhielt sich mit besagtem Kellner und war danach umso erstaunter: Sie stellte nämlich fest, dass er schon einige Minuten nachdem er die Bestellung an den richtigen Tisch gebracht hatte, sich nicht mehr daran erinnern konnte, was er der jeweiligen Person servierte. Diesen Effekt wollte sie in einem Experiment näher untersuchen. Und da sie an der Humboldt Universität in Berlin arbeitete, hatte sie dazu die Gelegenheit. Sie lud 164 Teilnehmer ein und ließ sie verschiedene Aufgaben ausführen – und zwar sowohl handwerkliche Aufgaben, wie auch eher intellektuelle. Einen Teil der Aufgaben unterbrach sie, bevor die Teilnehmer sie beenden konnten. Den anderen Teil durften die Personen ungestört zu Ende bringen. Das Ergebnis: An die fertigen Aufgaben konnten sich die Teilnehmer viel schlechter erinnern als an die unfertigen. Auf der Grundlage dieser Beobachtung formulierte sie den Zeigarnik Effekt, der besagt, dass wir uns an nicht abgeschlossene Aufgaben viel besser erinnern können als an abgeschlossene.Erklärung für den Zeigarnik Effekt
Die Hauptaussage des Zeigarnik Effekts, nämlich dass wir uns an nicht abgeschlossene, unterbrochene Aufgaben und Dinge viel besser erinnern können, wird hin und wieder mit der sogenannten Feldtheorie nach Lewin begründet. Diese Theorie arbeitet mit Spannungen. Jede Aufgabe, die wir neu beginnen, baut ein Spannungsfeld auf. Wenn wir die Aufgabe abschließen, löst sich dieses Feld wieder auf und die Spannung geht gegen Null. Im Umkehrschluss heißt das aber eben auch, dass bei Aufgaben, die wir nicht abschließen, dieses Spannungsfeld bestehen bleibt. Der fehlende Abbau der Spannung bei den unterbrochenen Aufgaben führt nun dazu, dass wir uns später an diese Aufgaben umso besser erinnern. Denn unser Gedächtnis kann schneller auf Inhalte zurückgreifen, die noch „unter Spannung“ stehen. So jedenfalls die Theorie.Kritik: Zeigarnik Effekt in der Psychologie
In der Forschung wollte man den von der Psychologin angeblich gefundenen Zeigarnik Effekt noch einmal wiederholen. Denn die Wiederholbarkeit gehört zur empirischen Forschung dazu. Jedoch gab es dabei ein Problem: Der Effekt konnte nicht dupliziert werden. Und es kam noch schlimmer: Nicht nur konnte der Effekt nicht wiederholt werden, teilweise zeigten sich auch entgegengesetzte Effekte. Heißt: Die Versuchspersonen konnten sich an nicht abgeschlossene Aufgaben nicht mehr erinnern. An die abgeschlossenen dagegen schon. Aus diesem Grund ist der Effekt heute in der psychologischen Forschung umstritten, obwohl die Entdeckerin angibt, den nach ihr benannten Zeigarnik Effekt noch einmal wiederholt zu haben.Beispiele für den Zeigarnik Effekt
Auf der anderen Seite gibt es deutliche Hinweise darauf, dass es so etwas wie den Zeigarnik Effekt durchaus geben könnte:- Filme und Serien: Im Fernsehen wird der Zeigarnik Effekt gerne genutzt, wenn der Zuschauer unbedingt dranbleiben soll. Es ist wohl kein Geheimnis, dass die Werbeunterbrechung immer dann einblendet wird, wenn es gerade am spannendsten ist. Oder dass das Staffelfinale in vielen Fällen mit einem sogenannten Cliffhanger endet. Also einer Situation, die nicht aufgelöst wird, sondern den Zuschauer dazu bringen soll, in jedem Fall auch noch die nächste Staffel zu schauen. „Nicht aufgelöste Situation“ und „Spannung“ erinnert uns doch an etwas, oder? Das sind genau die Worte, mit denen Zeigarnik den nach ihr benannten Effekt beschrieben hat.
- Zwischenmenschliche Beziehungen: Auch bei einem Streit zwischen zwei oder mehr Personen, zeigt sich der Zeigarnik Effekt. Vielleicht kennst du auch das aus deiner eigenen Erfahrung. Je öfter wir uns mit einer Person streiten und je weniger wir es schaffen, die Konflikte nachhaltig zu lösen, umso schlechter wird unser Verhältnis zu dieser Person werden. In Beziehungen kann dieser vor sich hin schwelende Konflikt langfristig dazu führen, dass man sich trennt. Weil man es eben nicht schafft, Spannungen abzubauen. So startet man bei jedem neuen Konflikt auf einem höheren Plateau und es braucht immer weniger, um einen handfesten Streit vom Zaun zu brechen.
- Multitasking: Multitasking ist nicht dein Ding? Und das obwohl du kein Mann bist? Gut für dich! Denn lange Zeit war Multitasking das Tool für Arbeitnehmer, wenn sie möglichst viel in möglichst wenig Zeit erledigen wollten. Es stellte sich jedoch heraus, dass das leider nicht stimmt. Wer mehrere Aufgaben anfängt, aber keine oder nur wenige, zu Ende bringt, der tut sich keinen Gefallen. Denn gedanklich hängen wir immer noch – zumindest zum Teil – in den angefangenen Aufgaben fest, weil laut Zeigarnik Effekt die Spannung nicht aufgelöst wurde. Wir denken weiter darüber nach, wie wir sie endlich abschließen können und fangen gleichzeitig schon wieder eine neue Aufgabe an, die eigentlich unsere volle Aufmerksamkeit und Konzentration braucht. Das Ergebnis: Wir machen zwar vieles, aber nichts so wirklich richtig. Irgendwann zeigt dich das auch in den Arbeitsergebnissen und Fehlern.
Zeigarnik Effekt nutzen: So kann es gelingen
Trotzdem: Hollywood hat die positiven Effekte, die ein Cliffhanger haben kann, schon lange für sich entdeckt und auch du kannst den Zeigarnik Effekt für dich nutzen und damit deine Arbeitszeit optimieren und bessere Ergebnisse erzielen:- Unterbrechen, aber richtig: Eine Pause einlegen, wenn der Arbeitsschritt abgeschlossen ist? Ein Fehler, wie uns der Zeigarnik Effekt lehrt. Denn wer eine kurze Pause machen möchte, will möglichst zügig mit der Arbeit weitermachen. Das gelingt am besten, wenn wir mit dem Kopf noch bei der Sache sind und das wiederum ist laut Bljuma Zeigarnik dann der Fall, wenn die Aufgabe noch nicht abgeschlossen ist. Wenn du zum Beispiel eine Hausarbeit schreiben oder einen Vortrag vorbereiten musst, solltest du mitten im Satz oder Gedanken stoppen. So fällt es dir leichter, nach deiner Pause sofort wieder einzusteigen – so jedenfalls die Theorie.
- Spannung aufbauen und halten: Apropos Vortrag: Fällt es dir schwer, deine Zuhörer den gesamten Vortrag über bei der Stange zu halten? Dann nutz beim nächsten Mal doch ganz einfach den Zeigarnik Effekt. Du kannst zum Beispiel zu Beginn deiner Präsentation eine Frage stellen, deren Antwort du im Laufe des Vortrag verrätst. Deine Kollegen werden vermutlich die Antwort hören wollen – vorausgesetzt du hast eine interessante Frage gestellt – und dir daher gespannt lauschen.
- Multitasking vermeiden: Einige Vorgesetzte und Coaches raten immer noch zum Multitasking, obwohl mittlerweile klar ist, dass diese Form des Arbeitens mehr schadet als nützt. Wenn du es dir aussuchen kannst, solltest du daher auf Multitasking verzichten und deine Aufgaben nach und nach abarbeiten. Auf diese Weise kannst du deine geistige Kapazität dazu nutzen, dich voll und ganz auf das zu konzentrieren, was du gerade tun willst. Und wer fokussierter arbeitet, erzielt in der Regel die besseren Ergebnisse.