Kritik am Chef formulieren: Tipps und Beispiele

Ich Chef, du nix! Legt dein Vorgesetzter oder Arbeitgeber auch diese Denke an den Tag? Dann dürftest du wohl eher nicht auf die Idee kommen, Kritik am Chef zu formulieren. Es gibt auf der anderen Seite aber auch Arbeitgeber, die – wenn sie sich auch nicht direkt über Kritik freuen – diese jedoch zur Kenntnis nehmen. Kurz gesagt, in den meisten Fällen ist es gar nicht so einfach, seinem Chef eine Rückmeldung zu geben. Es hat jedoch einige Vorteile, wenn du es machst. Und wie es dir gelingen kann, Kritik am Chef zu formulieren, erfährst du jetzt.

24.11.2022, 20:35 Uhr
Kritik am Chef formulieren: Tipps und Beispiele
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Kritik am Chef formulieren: Darf ich das überhaupt?

Wenn du dich fragst, ob du überhaupt Kritik an deinem Chef formulieren darfst, zunächst die kurze und schmerzlose Antwort: Ja, darfst du. Schließlich lebst du in einem Land, in dem es Meinungsfreiheit gibt. Es wird dir also niemand verbieten, deinen Chef auf Entwicklungsmöglichkeiten hinzuweisen. Und damit sind wir auch schon beim entscheidenden Punkt: Es darf natürlich nicht darum gehen, deinem Chef mal gehörig die Meinung zu sagen. Wenn du Kritik an deinem Chef üben möchtest, dann muss das immer konstruktiv und vor allem höflich und wertschätzend geschehen. Schließlich zahlt er dein Gehalt und du möchtest doch bestimmt, dass er das noch länger macht. Aber nicht nur deine allgemeinen Rechte sind dafür verantwortlich, dass du deinen Chef kritisieren darfst. Auch aus dem Arbeitsrecht lässt sich dieser Anspruch ableiten, genauer gesagt aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Dort ist nämlich zu lesen, dass Mitarbeiter keinen Nachteile haben dürfen, wenn sie sich über die Zustände im Betrieb beschweren – sofern die Beschwerde gerechtfertigt ist. Und dazu gehört eben auch die Kritik am Chef. Dass konstruktive Kritik am Vorgesetzten oder gar Unternehmenslenker durchaus ihre positiven Seiten haben kann, haben mittlerweile einige Firmen erkannt. Und so gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, nötige Veränderungen anzustoßen: In manchen Unternehmen gibt es Briefkästen, in die Mitarbeiter ihre Vorschläge (anonym) stecken können. Andere Unternehmen lassen ihre Mitarbeiter durch speziellen Institute oder Berater befragen und möchten so erfahren, was sie in Zukunft besser machen könnten.

Chef kritisieren: Vorarbeit ist nötig

Doch leider sind noch nicht alle Chefs so fortschrittlich, dass sie Kritik von ihren Mitarbeitern ganz explizit einfordern. Das macht es für Beschäftigte nicht gerade einfach, Kritik zu äußern. Was jedoch nicht bedeutet, dass es unmöglich wäre. Auch in diesen Fällen kannst du deinen Chef auf Verbesserungspotenzial hinweisen – du solltest dabei jedoch ganz besonders gut vorbereitet sein:
  1. Was ist die Ursache für dein Problem? Bei einem Kritikgespräch mit deinem Vorgesetzten oder Chef musst du ganz besonders darauf achten, nicht in Anschuldigungen zu verfallen. Du musst daher vor dem Gespräch gründlich Gedanken darüber nachdenken, was die Ursache für deine Unzufriedenheit ist oder welchen Zustand oder Ablauf im Unternehmen du unbedingt ändern möchtest. Je konkreter du das Problem beschreiben kannst, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dein Chef deine Kritik als bloßes Genörgel auffasst.
  2. Wie groß ist dein Anteil an dem Problem? Manchmal hast du den dringenden Impuls, deinen Chef zu kritisieren, weil du insgeheim ein Problem mit seiner Persönlichkeit oder seiner Art zu führen hast. Der Schuss kann schnell nach hinten losgehen. Denn wenn du deinen Chef um ein Kritikgespräch bittest, um ihm durch die Blume endlich mal die Meinung zu sagen, dürfte dein Verbleib in der Firma zumindest gefährdet sein. Kein Chef lässt sich gerne von seinen Mitarbeitern grundlos kritisieren. Hinterfrage daher vorab deine Motive ganz genau. Wenn du das Gespräch nur möchtest, weil du mit dem übergroßen Ego deines Chefs nicht mehr länger klar kommst, solltest du es lieber sein lassen. Denn dann wirst du auf jeden Fall den Kürzeren ziehen.

Kritik am Chef formulieren: Mit diesen Tipps klappt es

Sofern du jedoch nur gute Absichten im Hinblick auf das Kritikgespräch hast, solltest du dein Vorhaben angehen. Denn wer Dinge, die noch optimal laufen, nicht anspricht, kann auch nichts im Unternehmen ändern. Und zumindest dann wenn du planst, längerfristig bei deinem Arbeitgeber zu bleiben, solltest du die Chance nutzen, die ein Kritikgespräch mit dem Chef bietet. Das kannst du zum Beispiel so machen:
  1. Dich in deinen Chef hinein versetzen: Einige Vorgesetzte und Unternehmensoberhäupter fühlen sich noch genau so: Als unantastbare Autorität ganz an der Spitze. Da kann es schwierig sein, von seinem Mitarbeiter kritisiert zu werden. Auch dann, wenn die Kritik wirklich positiv gemeint ist. Das solltest du immer im Hinterkopf behalten und dich nicht entmutigen lassen, wenn dein Chef nicht so reagiert, wie du es dir vorgestellt hast. Vermutlich muss er erst noch ein wenig üben und sich damit anfreunden, dass er nun auch von seinen Beschäftigten Verbesserungsvorschläge bekommt. Gerade für ältere Semester dürfte das eine gehörige Umstellung sein.
  2. Richtiges Setting wählen: Deinen Chef zwischen Tür und Angel abzupassen und deine Kritik zu formulieren ist sicherlich nicht die richtige Herangehensweise. Um zu gewährleisten, dass dein Chef dir in aller Ruhe zuhören und sich auf die Kritik einlassen kann, solltest du einen Termin zu einem Gespräch unter vier Augen vereinbaren. Idealerweise teilst du ihm bei der Anfrage mit, worum es bei dem Gespräch gehen soll. Tipp: Nenne als Überschrift „Feedbackgespräch“ und vermeide es darauf hinzuweisen, dass du Kritik formulieren möchtest – auch wenn sie schlussendlich positiv ausfallen wird, könnte das dein Vorgesetzter falsch auffassen.
  3. Professionell bleiben: Denk immer daran, dass es Chefs gibt, die nicht gut damit klar kommen, wenn ihre Mitarbeiter Kritik an ihnen üben. Sollte dein Chef anders reagieren als du es dir vorgestellt hast, solltest du dich davon nicht zu sehr einschüchtern lassen. Das ist vielmehr eine Chance zu zeigen, wie professionell du reagieren kannst. Also, dranbleiben und die Punkte auf deiner Liste weiter abarbeiten.
  4. Feedbackregeln nutzen: Es gibt zahlreiche Studien und Untersuchungen, die belegen, dass unser Gegenüber Feedback besser annehmen kann, wenn es ganz bestimmten Regeln, den sogenannten Feedbackregeln, folgt. Eine der wichtigsten Regeln dabei ist, dass du deine Kritik am besten als Ich-Botschaft formulieren solltest. Außerdem kommt es gut an, wenn du Verallgemeinerungen sein lässt. Stattdessen solltest du dir konkrete Beispiele suchen und deine Kritik an diesen Beispiel durchexerzieren. Das hilft deinem Chef am ehesten zu verstehen, was du genau kritisierst und wie man zu einer Lösung finden könnte.

Konstruktive Kritik an Vorgesetzten Beispiele:

Klingt noch alles ein wenig zu theoretisch? Dann sehen wir uns doch ganz einfach konkrete Beispiele an, wie die Kritik am Chef gelingen kann:
  1. Ich-Botschaften verwenden: Statt deinem Chef zu sagen, dass er sich in manchen Situationen zu kompliziert ausdrückt und dir daher nicht klar wird, was er eigentlich von dir will, kannst du so formulieren: „Hin und wieder tue ich mich schwer mit einigen Anweisungen, die Sie per Mail verschicken. Ich könnte effizienter arbeiten, wenn Sie mir etwas ausführlicher schreiben würden, welche Schritte Sie konkret von mit erwarten.“
  2. Eindruck schildern: Damit die Kritik konstruktiv ankommt, solltest du außerdem erklären, was das Verhalten deines Chefs bei dir auslöst. Das machst du so: „Wenn Sie nach der Präsentation wortlos den Raum verlassen, kann ich nicht einordnen, ob Sie mit dem Ergebnis zufrieden waren. Mir würde es helfen, wenn Sie sich kurz äußern könnten, ob Sie noch Verbesserungsbedarf sehen oder ob sich so weitermachen kann.“
  3. Wunsch formulieren: Eine weitere Möglichkeit, um die Kritik am Chef möglichst konstruktiv zu formulieren, ist sie als Wunsch zu verpacken. Statt also dem Chef zu sagen, dass du mit seiner Rückmeldung nicht viel anfangen kannst, weil sie zu allgemein ist, könntest du folgendes äußern: „Ich wünsche mir, dass Sie mir nach meiner Präsentation ein ausführlicheres Feedback zu meiner Performance geben. So kann ich aus meinen Fehlern lernen und beim nächsten Mal eine bessere Präsentation halten. Das ist doch auch für Sie ein Vorteil.“