Definition: Was heißt Bias?
Der Begriff „Bias“ begegnet uns öfter, wenn es um die Beobachtung bestimmter Phänomene oder beispielsweise Datenerhebung geht. In der Wissenschaft meint man damit die Verzerrung der Ergebnisse. Auch Befangenheit oder Vorurteil machen deutlich, was mit dem Begriff gemeint ist.
Zwei unterschiedliche Formen dieser Verzerrung gibt es: Den zufälligen und den systematischen Bias. Als systematisch bezeichnet man eine Verzerrung, wenn man Kölner Jecken fragen würde, ob die Kölner oder die Mainzer besser Fastnacht feiern. Ein zufälliger Bias dagegen entsteht, wenn es keinen Grund oder keine bestimmte Ursache gibt, die schuld an der Verzerrung ist.
Im Alltag begegnet uns die Verzerrung in verschiedenen Ausprägungen. Für den Job und das berufliche Leben sind beispielsweise diese hier relevant:
- Interviewer Bias
- Selection Bias
- Confirmation Bias
- Availability Bias
- Authority Bias
Auch der Hindsight Bias spielt im Jobleben – aber nicht nur dort – eine wichtige Rolle.
Hindsight Bias: Was versteht man darunter?
Was also bedeutet der Hindsight Bias genau? Wer die Sätze: „Das war doch vollkommen klar, dass das so kommen musste“ oder „das hätte ich dir gleich sagen können, dass das nichts werden kann“ schon einmal gehört oder vielleicht sogar selbst geäußert hat, kennt den Hindsight Bias, zu Deutsch Rückschaufehler, Rückblicksverzerrung oder systematischen Urteilsfehler, bereits aus eigener Erfahrung.
Denn diese Sätze sind ein Ausdruck dafür, dass wir dem Rückschaufehler auf den Leim gegangen sind. Hinterher sind wir eben immer schlauer. Und so reden wir uns ein, dass wir schon im Voraus gewusst haben, dass die Ereignisse so eintreten werden, wie sie eingetreten sind.
Das Problem an der Sache: Es stimmt nicht. In der Regel haben wir vorher eben nicht gewusst, dass der eingeschlagene Weg zielsicher in die Katastrophe führt. Sonst hätten wir uns ja anders verhalten oder unsere Mitmenschen davor gewarnt – oder beides.
Der Hindsight Bias beschreibt das Phänomen, dass wir die Vergangenheit umdeuten, wenn wir neue Ergebnisse und Informationen bekommen. Den Rückschaufehler kann man zum Beispiel gut nach einem Länderspiel beobachten. Verliert die Nationalmannschaft, hat die Mehrzahl der Zuschauer doch gleich gesagt, dass man mit dieser Aufstellung keinen Blumentopf gewinnen kann. Der Meinung sind sie übrigens auch dann, wenn sie vor dem Spiel noch darauf gewettet haben, dass ihre Mannschaft gewinnen wird.
Studien und Untersuchungen zum Rückschaufehler
Das Phänomen wurde und wird in der Wissenschaft systematisch untersucht. Erstmals beschrieben wurde der Hindsight Bias von dem Psychologen und Mathematiker Baruch Fischoff in den 1970er Jahren. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Experimenten, in denen der Hindsight Bias nachgewiesen werden konnte.
Sie alle zeigen: Wir sind recht gut darin, unsere Meinung im Nachhinein in Richtung des tatsächlichen Ergebnisses umzudeuten. Ob dieses Ergebnis der Ausgang der Bundestagswahl, wie in einem Experiment der Universität Leipzig, oder die Höhe des Eiffelturms ist, spielt meist keine Rolle.
Und die Untersuchungen zeigen noch etwas: Je länger das Ereignis zurückliegt, umso eher sind wir geneigt, unsere ursprüngliche Antwort anzupassen. Mit der Zeit vergessen wir unsere ursprüngliche Prognose mehr und mehr, wodurch der Hindsight Bias begünstigt wird. Wenn wir uns nicht mehr an unsere eigentliche Aussage erinnern, fällt es leichter, sie im Nachhinein umzudeuten.
Eine relativ aktuelle Studie bei der Pokerspieler im Hinblick auf den Rückschaufehler untersucht wurden, kam zu dem Ergebnis, dass mehr Erfahrung mit Pokerspielen, also mehr Expertise, zumindest dazu beitragen kann, dass der Hindsight Bias weniger häufig vorkommt. Immerhin!
Wieso kommt es zum Rückschaufehler?
Die Gründe für den Hindsight Bias sind verschieden. Forscher gehen davon aus, dass unser Bedürfnis nach einem positiven Selbstbild eine Rolle bei der Entstehung des Rückschaufehlers spielt. Wir geben nur ungern zu, dass wir uns geirrt haben. Das würde nämlich nicht nur unser Selbstbild, sondern auch die Art und Weise, wie andere uns sehen, beeinflussen. Wer ständig falsch liegt, der wird irgendwann eben nicht mehr gefragt.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass es hauptsächlich drei Varianten des Hindsight Bias gibt:
- Nach einiger Zeit kann man sich nicht mehr daran erinnern, sich so geäußert zu haben wie man es tatsächlich getan hat. Diese Art des Rückschaufehlers erkennt man an Aussagen wie: „Das soll ich gesagt haben? Kann ich mir nicht vorstellen!“ Oder „Ich glaube nicht, dass ich das gesagt habe.“ Oder ganz schlicht: „Ich kann mich daran nicht erinnern.“
- Im Lichte der tatsächlichen Ereignisse scheint es nahezu unmöglich, dass man vorher ahnen konnte, dass so etwas passiert. Einige Politiker haben nach der Flutkatastrophe im Ahrtal versucht, sich mit dieser Art der „Erklärung“ aus der Affäre zu ziehen. Sie haben sich darauf berufen, dass die Katastrophe unvorhersehbar war und sie daher nicht angemessen reagieren konnten.
- Bei der dritten Variante des Hindsight Bias hat man es – wie immer – vorher gewusst, konnte jedoch nichts dagegen unternehmen, dass es sich an Ende dann doch so zugetragen hat. „Hab ich doch gleich gesagt, dass der neue Kollege das Projekt in den Sand setzen wird.“ In der Realität war man sich jedoch gar nicht so sicher, dass der Kollege es nicht schafft, denn sonst hätte man ihm ja geholfen – sofern man kein Kollegenschwein ist.
Hindsight Bias im Job
Was aber hat das nun alles mit deinem Berufsleben zu tun? Die Antwort erfordert ein wenig Erklärung. Denn tückisch wird der Hindsight Bias dadurch, dass er unbewusst abläuft. Was dazu führt, dass wir uns bei Entscheidungen und Handlungen von dieser unbewussten Routine leiten lassen.
Auf der einen Seite hat das Vorteile. Wenn wir nicht jedes Mal jede noch so kleine Entscheidung von vorne bis hinten durchdenken müssen, spart das kognitive Ressourcen und hilft dabei, dass wir schneller handeln. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden.
Problematisch kann der Rückschaufehler jedoch dann werden, wenn wir uns auch bei schwerwiegenderen, wichtigeren Entscheidungen von ihm leiten lassen. Denn das kann zu beachtlichen Fehlurteilen führen und vor allem ein Grund dafür sein, dass wir wenig bis gar nichts aus Fehlern lernen. Wir haben schließlich keine Fehler gemacht, sondern die Lage von Anfang an richtig beurteilt – reden wir uns ein.
Der Hindsight Bias kann auf diese Weise unserem beruflichen und privaten Erfolg im Weg stehen. Wem nicht bewusst ist, dass er Dinge in der Vergangenheit falsch beurteilt hat, der sieht auch nicht die Notwendigkeit, bei der nächsten Entscheidung etwas mehr nachzudenken.
Hilfen gegen den Rückschaufehler
Was also tun? Wenn der Entschluss gefasst ist, etwas gegen den Einfluss des Hindsight Bias zu tun, ist schon ein wichtiger Schritt gemacht. Denn das heißt ja, dass du die Möglichkeit zumindest anerkennst, dass du dich von deiner Erinnerung täuschen lässt.
Wenn du nun noch herausfinden möchtest, wie sehr, kannst du einen einfachen Trick anwenden: Notier dir bei wichtigen Entscheidungen möglichst genau und objektiv, zu welchem Ergebnis du kommst und warum du dich so und nicht anders entschieden hast.
Später, wenn du mehr Informationen hast und rückblickend die Situation noch einmal beurteilst, solltest du deine Aufzeichnung mit deiner aktuellen Einschätzung vergleichen. Auf diese Weise siehst du, wie und ob du dir die Vergangenheit zurechtbiegst und dich vom Hindsight Bias beeinflussen lässt. Nach und nach kann es dir so gelingen, dir bewusster über den Rückschaufehler zu werden und ihn im besten Fall immer öfter zu vermeiden.